Der Streitpunkt
Bei Immobilien, die sowohl Wohnungen als auch gewerblich genutzte Räume enthalten, kommt es oft zum Streit darüber, ob die Betriebskosten der Gewerbeeinheiten bei den Wohnraum-Betriebskostenabrechnungen vorweg abzuziehen sind – also eine vorherige Bereinigung um die geschäftlich verursachten Betriebskosten stattzufinden hat.
Warum Vorwegabzug?
Der Vorwegabzug der gewerblich verursachten Betriebskosten soll verhindern, dass die im Objekt wohnenden Wohnraummieter mit Betriebskosten belastet werden, die ausschließlich oder überwiegend durch die geschäftlichen Mieter verursacht werden.
Wann ist Vorwegabzug erforderlich?
Betriebskosten gewerblich genutzter Räume sind nur dann bei Wohnraum-Betriebskostenabrechnungen vorweg abzuziehen, wenn sie zu einer wesentlichen Mehrbelastung für die Wohnraummieter führen.
Wohnraummieter werden nämlich durch die Mischnutzung nicht benachteiligt, wenn sie bei einer „normalen“ Abrechnung aller Mieter nicht schlechter stehen als nach einem Vorwegabzug der gewerblich verursachten Betriebskosten.
Bestimmte Ungenauigkeiten bzw. Ungerechtigkeiten sind selbst in einem reinen Wohnobjekt nicht zu vermeiden, da auch unter Wohnraummietern deutliche Unterschiede bei der Verursachung von Betriebskosten bestehen.
In manchen Fällen können auch zwischen verschiedenen Wohnraummietern immense Differenzen beim Wasserverbrauch oder Heizverhalten festgestellt werden, was v.a. in Wohnhäusern mit vielen Mietparteien unvermeidlicherweise zu gewissen Ungerechtigkeiten bei der Kostenverteilung führt – auch ohne das Vorhandensein von Gewerbemietern.
Da sich also Ungenauigkeiten in Betriebskostenabrechnungen generell nicht vollständig ausschließen lassen, ist es nur konsequent, einen Vorwegabzug nur dann zu fordern, wenn sich die gewerblich entstandenen Betriebskosten erheblich von den Kosten der Wohnnutzung unterscheiden.
BGH, Urteil vom 08.03.2006 (VIII ZR 78/05)
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BGH VIII ZR 78/05 Vorwegabzug gewerblich verursachter Betriebskosten nur bei wesentlicher Mehrbelastung für Wohnraummieter
BGH VIII ZR 78-05 Vorwegabzug gewerblich[…]
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Wer muss die Mehrbelastung durch die gewerblichen Betriebskosten beweisen?
Der Wohnraummieter, der einen Vorwegabzug fordert, muss darlegen und beweisen, dass er durch die Gewerbemieter mit deutlich höheren Betriebskosten pro Quadratmeter belastet wird.
Hierbei muss der Mieter auf
- die speziellen Eigenheiten des Gebäudes,
- die konkrete Art der gewerblichen Nutzung,
- die einzelnen Betriebskostenarten
eingehen und im Einzelnen beschreiben und beweisen, dass und inwieweit er durch die Geschäftsmieter mit höheren Betriebskosten belastet wird.
Es ist nicht ausreichend, lediglich auf den höheren Kunden- oder Mitarbeiterverkehr der Gewerbemieter zu verweisen und hieraus eine Mehrbelastung mit Betriebskosten zu schlussfolgern.
Es liegt nämlich in der Natur der Sache, dass verschiedene geschäftliche Nutzungen jeweils völlig unterschiedliche Betriebskosten verursachen.
So lässt sich z.B. eine Anwaltskanzlei schwerlich mit einem Supermarkt oder einem Friseurgeschäft vergleichen – sowohl hinsichtlich des Kundenverkehrs als auch des Wasser- oder Heizungsverbrauchs.
Urteil des BGH vom 25.10.2006 (VIII ZR 251/05)
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BGH VIII ZR 251/05 Wohnraummieter muss wesentliche Mehrbelastung durch gewerblich verursachte Betriebskosten beweisen
BGH VIII ZR 251-05 Mieter muss Vorausset[…]
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Führt fehlender Vorwegabzug zur Unwirksamkeit der Betriebskostenabrechnung?
Wird ein erforderlicher Vorwegabzug der gewerblich verursachten Betriebskosten nicht vorgenommen, führt dies nicht zur kompletten (formellen) Unwirksamkeit der Betriebskostenabrechnung.
Es liegt dann lediglich eine rechnerische (materielle) Unrichtigkeit vor, die vom Vermieter berichtigt werden kann.
Das gilt auch bei preisgebundenen Wohnungen.
Urteil des BGH vom 11.08.2010 (VIII ZR 45/10)
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BGH VIII ZR 45/10 Fehlender Vorwegabzug gewerblich verursachter Betriebskosten führt nicht zur formellen Unwirksamkeit der Betriebskostenabrechung
BGH VIII ZR 45-10 Fehlender Vorwegabzug […]
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Muss der Vorwegabzug in der Betriebskostenabrechnung erkennbar sein?
Es genügt nicht, wenn der Vermieter in der Betriebskostenabrechnung nur die bereits bereinigten Wohnraum-Betriebskosten angibt.
Die Abrechnung muss die im Objekt entstandenen Gesamtkosten enthalten, sodass für den Mieter erkennbar ist, welche gewerblich entstandenen Betriebskosten vorweg abgezogen wurden.
Erfüllt die Betriebskostenabrechnung diese Voraussetzung nicht, ist sie formell unwirksam. Betrifft dieser Mangel die gesamte Abrechnung, ist sie vollständig (formell) unwirksam.
Das gilt auch bei preisgebundenem Wohnraum.
Urteil des BGH vom 07.12.2011 (VIII ZR 118/11)
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BGH VIII ZR 118/11 Vorwegabzug gewerblich verursachter Betriebskosten muss aus Abrechnung ersichtlich sein
BGH VIII ZR 118-11 Vorwegabzug muss in B[…]
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Bei Grundsteuer ist kein Vorwegabzug erforderlich
Ein Vorwegabzug der von Gewerbemietern verursachten Betriebskosten kommt nur für solche Kostenarten in Betracht, die von einem abgelesenen Verbrauch oder von der Verursachung des Mieters abhängen.
Dies trifft auf die vom Vermieter auf den Mieter umgelegte Grundsteuer nicht zu.
Die Grundsteuer wird von der Gemeinde gegenüber dem Vermieter durch Bescheid festgesetzt – sie hat nichts mit dem Verhalten der Mieter zu tun.
Bei der Umlage der Grundsteuer findet daher keine Unterscheidung zwischen Wohnraummietern und Gewerbemietern statt.
Ein Vorwegabzug ist deshalb nicht erforderlich.
BGH, Urteil vom 10.05.2017 (VIII ZR 79/16)
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BGH VIII ZR 79/16 Bezüglich Grundsteuer findet kein Vorwegabzug in Betriebskostenabrechnung statt
BGH VIII ZR 79-16 Betriebskostenabrechnu[…]
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